Wir schreiben Montag, den 10.08.2020, das soll er also sein, der vorerst letzte Tag auf heimischem Boden.
Ich wache auf und realisiere im Dämmerzustand, dass wir heute packen müssen und all unsere Unterlagen checken sollten, damit wir sicher ankommen werden.
Peter bricht noch bevor die Meute aufwacht nach Köln auf- zum arbeiten.
Ich nutze die ersten Stunden des sommerheißen Tages um die ersten Sachen zu packen und in Ruhe zu frühstücken. Der Hund liegt indessen paralysiert neben mir und träumt wahrscheinlich von verschneiten Wintertagen, die ihm das Leben deutlich erleichtern würden.
Meine Gedanken kreisen um die lange Reise und die emotionalen Belange unserer Kinder. Bereits gestern ist der Rest der Familie abgereist und ich spüre, dass die drei ebenso aufgeregt sind wir wie Eltern.
Als Peter am Nachmittag zurück kommt, bleibt wenig Zeit um den Anhänger voll zu packen und klar Schiff zu machen. Wir beschließen zur Feier (oder Trauer?) des Tages mit den Kindern Eis essen zu gehen. Natürlich im besten Eiscafe´ der Welt, das meiner Kindheit.
Das mehrfach bestellte Spaghettieis mundet wie eh und je und der rheinische Dialekt der anderen Gäste klingt wie Musik in meinen Ohren.
Für einen kurzen Moment realisiere ich, dass hier meine Wurzeln liegen und mir alles so unendlich vertraut ist.
Trotz des guten Vorsatzes früh ins Bett zu gehen, liegen wir um 22:30 erst in den Federn- wach! Denn unsere drei Räuber können nicht einschlafen. Sie zappeln herum, wälzen sich, stellen Fragen, wollen gehört werden… Peter und ich hingegen beten zum Himmel, dass Ruhe einkehrt.
Dienstag, 3:30- mein Handy vibriert und holt mich in Lichtgeschwindigkeit aus dem Tiefschlaf. Mein Adrenalinspiegel steigt und ich öffne unwillkürlich meine Augen, um sie im nächsten Moment direkt wieder zu schließen.
Boa ne, ich will weiterschlafen, denke ich. Tja, du wolltest es so, antwortet die Stimme in meinem Kopf. Also hopp, steh auf und bring´ zuende, was du dir erschaffen hast.
Na guuuuut….
Die Kinder schnarchen friedlich vor sich hin und ich gönne mir einen Moment um ihre engelsgleichen Gesichter anzuschauen. Dankbarkeit durchfährt meinen ganzen Körper.
Als ich aus dem Bad komme, rieche ich bereits den Duft von frisch gebrühtem Kaffee und sehe meinen verschlafenen Mann, der wohl ähnliche Gedanken gehabt haben muss wie ich.
4:15 wir starten Richtung Frankreich, Calais als unser Ziel.
Die Autofahrt ist gut. Alle drei, sorry vier, Menschen schlafen, während ich sie sicher zum Hafen bringe.
Dank der angenommenen Ratschläge meiner Familie treffen wir viel zu früh am Hafen ein und überlegen, wie wir die nächsten 4,5 Stunden überleben sollen. Der Hafen gleicht einem still gelegten Areal. Kaum jemand ist da und nur die Möwen scheinen sich an dem beißenden Fischgeruch zu erfreuen.
Bald bemerken wir, dass der Check-in Schalter unserer Fährgesellschaft bereits geöffnet hat. Wir steuern geradewegs darauf zu und werden zwei Mal (!) von oben bis unten kontrolliert. Beim zweiten Check-In erfahren wir, dass unsere Tickets kostenfrei in die frühere Fähre umgebucht werden können und stimmen dem dankend zu.
Nachdem wir unseren Platz im Bug des großen Schiffes erreicht haben, begebe ich mich mit den Kindern an Deck. Alle drei haben Hunger und ich werfe meinen Geiz, für viel Geld schlechtes Essen zu kaufen, wortwörtlich über Bord, als ich ihnen Frühstück besorge.
Wir wollen zurück zum Auto gehen, als uns eine Dame anhält und den Weg über die Treppen verweigert. Ich erkläre ihr, dass ich zum Auto möchte und sie sagt, dass alle Passagiere an Deck bleiben müssen- wegen Co…ich kann dieses Wort unmöglich hier verwenden, da es mir zum Hals raus hängt.
Während ich innerlich die Augen rolle, erläutere ich dem hinzugekommenen Security Typen, dass sich sowohl Hund als auch Mann noch im Auto befinden.
Er holt Peter an Deck. Jolo muss die Fahrt alleine im Auto überstehen (die natürlichen Beruhigungsmittel hatte er erfolgreich ausgespuckt, so blieb mir einfach nur die Hoffnung, dass er es alleine schaffen wird zur Ruhe zu kommen).
Die See ist sehr ruhig an diesem Tag. Die Menschen um mich herum alle entspannt. Der Wind pfeifft durch meine Haare, die Wellen brechen rhythmisch auseinander und während der Horizont meinen Blick fesselt, spüre ich ein flaues Gefühl im Magen. Wie sehr ich es doch hasse, auf dem Wasser zu sein!
–
–
–
Der erste Kreisverkehr in England endet in einem kurzen Schrei meines Beifahrers. Beinah hätte ich die rechte Ausfahrt genommen.
Der Linksverkehr ist ungewohnt, doch schon bald scheint sich mein Gehirn angepasst zu haben und es wird leichter.
Unser Ziel liegt ca. 530km an der Südwestküste in Wales entfernt und das Navi zeigt dafür 4,5 Stunden an.
Die Sonne knallt unermüdlich durch die Fensterscheiben und unser Auto gleicht mittlerer weile eher einer Müllkippe als einem sauberen Gefährt.
Brezelkrümel, Plastikverpackungen, Apfelreste- mir gelingt es das Chaos zu ignorieren, denn die Hitze kostet genug Nerven.
Einige Stunden später quittiert unsere Klimaanlage ihren Dienst und pfeifft durchs letzte Loch, es ist unaushaltbar heiß im Auto und ich höre den Hund bis vorne hecheln.
Wir öffnen alle Fenster und fiebern dem Sonnenuntergang entgegen.
Angekommen in unseren zwei kleinen pods (kann man sich vorstellen wie ein Gartenhäuschen mit je zwei Betten drin), fallen unsere Augen ganz von alleine zu und wir träumen friedlich bis zum nächsten Morgen!
Die Fähre nach Irland ist weitaus größer als die erste. Ein gigantisches Schiff!
Es nebelt stark, ist aber trocken.
Nach dem Check- in werden wir aus der Reihe gezogen und müssen sowohl den Kofferraum als auch den Anhänger öffnen.
Die Dame macht eine ausladende Bewegung mit ihrem Arm und fragt fassungslos, ob das alles unser Gepäck sei? Ich beantworte die Frage mit ja und erkläre ihr, dass wir nach Irland auswandern. Aaaaah okay, sagt sie und kickt den Gedanken, dass wir Drogendealer sein könnten, offensichtlich beiseite.
Das Hundefutter im Kofferraum scheint ihr jedoch verdächtig, doch nachdem sie auch dort kein weißes Pulver findet, sind wir entlassen und dürfen die Fähre passieren.
Gewaltige Wassermassen verdrängt der Koloss von Schiff und die lauten Maschinen sind bis an Deck zu hören. Die weite See schimmert glitzernd im Sonnenlicht, doch der Nebel verdeckt die Sicht ans Ufer als wir einige Minuten unterwegs sind.
Im 5- Minuten Rhythmus schmeißt der Kapitän das Nebelhorn an und andere Schiffe antworten indem sie es ihm gleichtun.
Mein Bauch spielt verrückt. Alles an Gefühlen türmt sich vor mir auf und lässt mich spüren. Der Moment gehört mir. Erleichterung gepaart mit unbändiger Neugierde und Angst- alles ist dabei, als ich mich aus der Vogelperspektive an Deck dieses Riesen sehe.
Wie wird Irland sein? Mag ich dieses Land? Inselleben ja oder nein? Sind die Menschen freundlich? Werden wir vorfinden was wir erhoffen?
Die Vorfreude übersteigt jegliche Sorge und ich kann es kaum erwarten, endlich das Land unserer Zukunft zu sehen.
Die Stenaline legt mit 15 Minuten Verspätung, jedoch sehr sanft, am Hafen von Rosslare an und unsere Kinder können live mitverfolgen, wie sich der Bauch des Schiffs öffnet damit wir herausfahren können.
Wir sind da! Wir sind endlich da!
Wir quieken vor Freude und auch Peter bringt ein zufriedenes Lächeln über die Lippen 😉
Irland empfängt uns mit saftigen satten Wiesen, Kühen und Schafweiden. Nie in meinem Leben habe ich derart tolle Farben in der Natur gesehen wie hier.
Alles ist kräftig und fruchtbar!
Nach einer halben Stunde Fahrt fragen wir uns, wann uns das Navi endlich auf eine Autobahn leiten wird. Der Traum bleibt unerfüllt und wir tingeln (für deutsche Verhältnisse) auf engen Straßen Richtung Ziel.
Nach 3 Stunden Fahrt lernen wir hautnah die engen Wege kennen, die links und rechts begrünt sind. Alle paar km sehen wir links und rechts ein Haus, aber generell ist es hier wenig besiedelt. Kuhweiden und große Wiesen dominieren die Landschaft.
Gegen 21:30 lassen wir uns von unserer Vermieterin abholen, da wir unsere Unterkunft nicht finden. Sie kommt ins nächste Dorf und führt uns geradewegs über eine steinige vermatschte Schotterpiste zu unserem Ferienhaus.

Peter und ich sind direkt verknallt in das alte Steinhäuschen- so gemütlich und urig, ganz anders als in Wargolshausen.
Auch die Kinder scheinen sich auf Anhieb wohl zu fühlen.
Hier werden wir also die nächsten 14 Tage in Quarantäne verbringen. Wobei das noch positiv ausgedrückt ist. Vielmehr fühlt es sich heute nach 4 Tagen wie Gefangenschaft an. Trotz des Grundstücks, trotz der Weite, trotz der Ruhe.
Könnte sein, dass die Situation mit meiner Freiheitsliebe kollidiert 😉
Wir sind also angekommen. Am Arsch der Welt, auf einer Insel im Dauerregen (wobei ich mir sicher bin, dass es Irlands Freudentränen sind), bei 22 Grad und ohne Ballast.
Fünf Menschen, ein Hund, ein Auto und ein Hänger der zur Hälfte voll mit Lego ist. Wir sind endlich hier. Nach so vielen anstrengenden zehrenden Wochen voller Unruhe, Arbeit und Zeitknappheit.
Endlich sind wir da und können es kaum erwarten, Irlands Klippen zu besteigen und das erste Mal in einem echten irischen Pub ein echtes irisches Guiness zu trinken, während wir uns in die Augen schauen und wissen, dass unser Herz die Richtung vorgibt und Vertrauen auf immer unser Begleiter sein wird.
Peter, ich danke dir für deine Arbeit, für all die durchgemachten Nächte vor dem Computer und deiner Mühe, dennoch für unsere Familie da zu sein.
Für deinen Biss, das Auswandern finanziell zu stemmen und für dein unermüdliches Aushalten von Kindergeschrei während Meetings und zeitweise einer völlig erschöpften Frau an deiner Seite.
Ich danke dir für die, wenn auch seltenen, Momente im Hof, die wir dazu nutzten, unsere Vision zu feilen und Notwendiges abzuklären. Was sind wir eigentlich für ein Dreamteam?!
Aus tiefstem Herzen DANKE, dass du genauso mutig und verrückt bist wie ich und dass meine unermüdliche Phantasie dir als Inspiration dient, Realismus ins Spiel zu bringen.
Dafür, dass wir gemeinsam die Kraft aufbringen zu wagen, zu lieben, zu verwirklichen!
Klingt kitschig- ist aber so <3
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo Katharina,
hab den Link auf Facebook in der Auswandern-Gruppe gesehen und musste natürlich gleich den ersten Bericht lesen. Wünsche Euch schon mal alles Gute und bin gespannt auf die nächsten Beiträge. Da hab ich ja noch einiges zu lesen.
Gruss aus Ennis
Markus
Lieber Markus,
wir hatten zwar gerade in der Gruppe Kontakt, ich freu mich aber dennoch sehr über deine Nachricht 🤗
Viel Freude beim Lesen und sonnige Grüße zurück aus West-Cork 🥳👋
Hallo Katharina,
heute bin ich erst dazu gekommen, diesen ersten Bericht in Ruhe zu lesen.
Es fing ja wirklich turbulent an, daher freue ich mich umso mehr für Euch alle, dass Ihr gut und wohlbehalten angekommen seid. Die Fotos sehen sehr schön aus – Natur pur! Die Quarantäne habt Ihr ja nun auch überstanden und könnt die vorübergehende neue Heimat erkunden.
Wir wünschen Euch eine super gute Zeit und dass Eure Vorstellungen und Wünsche in Erfüllung gehen werden.
Ganz liebe herzliche Grüße aus dem nun auch schon herbstlichen Erkelenz
Hans Willi und Karin