„Hallo? DU hast doch angefangen!“
Der Streit läuft und ich bin mittendrin!
Mittendrin in den Vorwürfen, der Wut, der Verachtung meines Gegenübers.
Ich schlucke, atme schwer, versteife meinen Körper. Was hier passiert, fühlt sich so furchtbar unangenehm an.
„Ich will doch gar keinen Streit!“ sage ich mit gedämpfter Stimme.
„Na und? Ich aber. Ich hab keinen Bock mehr auf dich. Ich find dich sowas von ätzend, echt eyh!“
Ok, der Satz sitzt. Tief, verletzend, abweisend.
Ich fühle mich kleiner und kleiner und während meine Schulter in sich zusammensacken tut mein Körper etwas, was mich mehr beschämt als das es mich befreit- ich beginne zu weinen.
Dicke Kullertränen rinnen meine Wangen hinunter und alles, was ich nun vernehme ist das Salz auf meiner Lippe, denn mein Gegenüber hat stampfend den Raum verlassen und die Türe zu geknallt.
„Entweder du machst es jetzt so, wie ich es will oder wir können´s ganz sein lassen.“ sagt sie mit barschem Ton in meine Richtung.
„Ok.“, spricht die Angst aus mir, schließlich will ich den Job nicht verlieren!
„Dann halt dich ran. Oder willst du morgen noch hier stehen?“
„Ähm…nein…“
„Na also, dann sind wir ja wenigstens jetzt einer Meinung!“
Ich tue, was sie von mir verlangt und befinde mich in einer Abwärtsspirale von Wertlosigkeit und Wut. Doch ich traue mich nicht, etwas zu sagen. Ich halte meine Klappe. Und ich trage den Schmerz ganz allein für mich mit mir rum.
Ihre blauen Augen schauen mich durchdringend an „Natürlich geht er lieber mit einer anderen Frau auf das Konzert und verbringt die Abende mit ihr! Ist doch klar!“
Ich grinse, versuche meine Verletztheit zu überspielen, weil ich weiß, dass ich eh nicht verstanden werde. Doch die Neugierde in mir spricht „Tsss… warum denn das?“
„Na weil sie nicht aus einer Patchworkfamilie kommt wie du. Außerdem schmeißt sie den Haushalt mit Leichtigkeit und bei ihr zuhause sieht es auch nicht aus wie bei Flodders! Schon mal drüber nachgedacht, hä?“
Es reicht. Mir platzt die Hutschnur. Ich bäume micht auf und spreche deutlich und klar mit meinen jungen 17 Jahren: „Weißt du was, wenn du ein Problem mit meiner Familie hast, dann sag es ihr gefälligst und wenn meine Mutter dir zu unordentlich ist, musst du ja nicht mehr kommen. Aber lass das verdammt nochmal nicht an mir ab!“
Ich heule- schon wieder. Ihre Worte treffen einen Schmerz, den ich mir gerade nicht ansehen will. Dann drehe ich mich um und laufe mit nach unten gezogenen Mundwinkeln Richtung Zuhause.
Drei Situationen der Übergriffigkeiten. Drei verschiedene Personen. Drei Möglichkeiten des Umgangs. Drei Geschichten meiner Vergangenheit.
Damals habe ich mich oft klein und dumm gefühlt. Ich habe mich für meine Herkunft geschämt und mein Rucksack aus familiären und persönlichen Tragödien hat mich häufiger auf den Boden gedrückt als es mir lieb war.
Heute kommuniziere ich komplett anders.
Heute lasse ich mich weder in eine Ecke drängen, noch bin ich bereit mich beschimpfen zu lassen!
Meine Art der Kommunikation hat sich um 180 Grad gewendet und ich bin so dankbar für meine Entwicklung.
Doch das spannenste an all den Jahren der Persönlichkeitsschmiede: Die Art jeglicher Konversation hängt maßgeblich von meiner inneren Haltung ab.
Ich bin diejenige, die sich verletzen lässt oder ich bin diejenige, die sich schützt.
Damals wollte ich einfach nur geliebt werden. Ich suchte nach dem Schoß, der meine Wangen streichelte und nach Menschen mit einem großen Herz.
Doch die Schule des Lebens war härter als gedacht.
Mich niederzumachen, mir die Wörter im Mund umzudrehen und mein nicht vorhandenes Selbstbewusstsein auszunutzen war leicht.
Und niemand der drei oben genannten Personen, konnte meine Not sehen und zumindest ein wenig Rücksicht darauf nehmen.
Nein, stattdessen wurde ich für meine Familie verurteilt und das Pieksen in meine tiefsten Wunden machte ihnen offensichtlich viel Spaß.
Und als ich gestern mit zwei Menschen an der langen Tafel hier in Kalabrien saß, da wurde mir nochmal bewusst, wie wichtig Empathie ist.
Und ich habe mir eine Sache ins Gedächtnis gerufen, die der Leitspruch meiner Kommunikation werden könnte:
Urteile nicht über Menschen, sondern versteh, dass dein Gegenüber eine Geschichte hat!
Nun ja, was soll ich zu den obigen Geschichten sagen? Ich sehe dich, junge Katharina! Du hast dein bestes gegeben und du warst so tapfer und stark.
Du darfst stolz sein auf das, was dir viele Jahre des Lernens an Selbstwert geschenkt haben!
In diesem Sinne auch an dich: Wann hast du zum letzten Mal anerkannt, wie stark du bist, ohne deine Stärke mit anderen zu messen?
Fühl dich umarmt, wenn du magst, deine Katharina