Lockdown ohne Ende in Irland - gefangen auf der grünen Insel

Gefangen auf der grünen Insel – Mein Nervenzusammenbruch 2021

Die Worte Mary Favier´s  treffen mich wie ein Schlag mit geballter Faust mitten ins Gesicht. Lockdown bis Mai? Level 5 bis Mitte des Jahres? Die Leute bewegen sich immer noch zu frei auf der Insel?

Zitat Mary Favier, Quelle: IrishPost vom 18.01.2021

Da ist sie wieder, meine Wut. Ohne Rücksicht auf Verluste kocht sie hoch, kaum aufzuhalten und mit eindringlicher Macht über meinen gesamten Körper.

Ich lese die Zeilen noch einmal und wieder, suche den Fehler beim Übersetzen, aber finde ihn nicht. Das ist Wahnsinn, denke ich unwillkürlich. Reinster Wahnsinn!

Ich renne in die Küche und suche aufgeregt mein Handy um meiner Freundin in Deutschland die Nachricht zu übermitteln. Sie muss es erfahren- sofort! Und während ich ihr einen screenshot der news sende, spüre ich plötzlich tiefe Verzweiflung in meinem Herzen. Ich sehe mögliche Szenarien der kommenden Wochen wie ein Daumenkino vor mir ablaufen und versuche augenblicklich diese zu verdrängen.

Die Nachricht an meine Freundin ist raus und und zwei kleine Häckchen erscheinen an ihr, das Zeichen dafür, dass sie sie gelesen hat. Ich warte gespannt vor dem Bildschirm – ja, auf was denn eigentlich? Auf Hoffnung, Entwarnung, Heiterkeit? Mein Blick lässt mein Handy nicht mehr los bis ihre Antwort mich erreicht: Ich bin sprachlos! schreibt sie und drückt damit wohl aus, wie mein Gefühlschaos am besten zu beschreiben ist.

Drei Tage zuvor: Die Nachricht, dass meine Familie vor dem Sommer nicht auf die Insel reisen wird, haut mich aus der Bahn. Auch meine Freunde die ursprünglich mit uns zusammen auswandern wollten, können mir an diesem Tag kein festes Datum ihrer Ankunft nennen.

Als ich aus dem Brötchenteig fürs Wochenende kleine Bällchen knete, sende ich ihnen eine Nachricht mit folgenden Worten: Mache Vollkornbrötchen 😉 Kommt ihr morgen zum Frühstück vorbei?

 

Dass meine Frage rhetorischer Natur ist und wir morgen, wie seit Monaten, zu fünft ins Wochenende starten, ist mir bewusst. Trotzdem hilft es mir nicht zu vergessen, was ich wieder in meinem Leben haben möchte: Brunchen mit Freunden, lautes Gelächter über Frauen die Vollkornbrötchen backen und Männer, die Weißmehl bevorzugen würden, von Hand gepresster Orangensaft, quakende eingesaute Kinder, eins lauter als das andere, lange ausgiebige Gespräche mit wechselnden Themen von Triggerpunkten über Greenpeace Aktivisten… Die Liste dessen, was mir seit Monaten fehlt würde den Artikel sprengen!

Es ist Samstag und alle Brötchen haben ihren Weg in unsere Bäuche gefunden, als mich die Nachricht meiner Freundin erreicht: Na, die Brötchen haben bestimmt lecker geschmeckt!?

Ja, denke ich und fühle mich zugleich unendlich betrübt.

Nach dem obligatorischen Spaziergang mit dem Hund, erwartet mich eine dicke Ladung Wäsche zuhause und während ich den Korb die Treppe hoch trage, lausche ich der Stimme meiner Freundin, deren Worte mich ohne Vorwarnung mitten ins Herz treffen. SIE drückt alles aus, was mich bewegt, bedrückt und emotional fertig macht. SIE findet die richtigen Worte um meine Anstrengung zu formulieren.

Ich stelle den Wäschekorb vor dem Trockner ab, strecke die Arme aus und halte mich gerade noch an ihm fest, als mein Kopf wie ein Stein in meine Armbeuge knallt und meine Augen sich blitzschnell mit dicken Tränen füllen.

Ich schluchze, weine, kann nicht mehr aufhören. All die Anspannung und Verzweiflung will gesehen werden. Seit über einem Jahr trage ich die Hauptverantwortung für die (Bildung unserer) Kinder. Die Auswanderung mit dem ganzen Chaos im Hintergrund, den Behördengängen (welche noch lange nicht vorbei sind), dem zeitlichen Management, den lockdowns mit all seinen Verboten, den fehlenden sozialen Strukturen und der Ungewissheit wann sich mein Leben wieder mit Menschen füllen wird, bricht über mir ein. Ich kann die Anstrengung in jeder Faser spüren, kann fühlen wie viel ich geleistet habe und es immer noch tue.

Ja, in diesem Moment, der bestimmt 20 Minuten lang angehalten hat, mischen sich so viele verschiedene Gefühle miteinander, dass ich absolut nicht weiß, wie ich jemals aufhören soll zu weinen.

Dieses Szenario ist wahr! Es hat sich genau so abgespielt wie ich es hier niedergeschrieben habe.

Seitdem sind einige Tage vergangen und das Gefühl der Einsamkeit und Ungewissheit ist geblieben. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“- das stimmt. Doch als ich heute die Zeilen dieser Frau gelesen habe, da habe ich begriffen in welch abartiger Situation sich die Welt gerade befindet. Da habe ich kapiert, dass ich mit der Ungewissheit leben lernen muss. Und ich habe verstanden, dass ich mich arrangieren muss und nicht aufhören darf, Lösungen zu finden.

Zoom-Konferenz-Covid-19

Aber ich habe auch gemerkt, wie unglaublich wichtig die emotionale Gesundheit in diesen schwierigen Zeiten ist und dass ich mit meiner Familie ein Leben in Freude leben möchte. Und wie wichtig es ist, für den einen mehr, für den anderen weniger, geliebte Menschen um sich herum zu haben, das hat mir spätestens mein Zusammenbruch am Trockner klar gemacht.

Und da wir uns immer noch O-Ton „mitten in der Pandemie befinden“, ich meine Freunde und Familie verdammt nochmal sehen will, meine Kinder ihren Hobbies nachgehen wollen und weil ALLE Gefühle ihre Berechtigung haben, gibt’s heute kein HappyEnd. Ne, heute gibt’s nur das: Weine, wenn es wichtig ist. Schreie, wenn es raus muss, schluchze, wenn es gut tut und erlaube dir, was dich heilt.

Auf all die Gefühle die wir haben!

Auf all die Kinder und Erwachsenen, die in dieser heftigen Zeit immer wieder aufstehen und weitermachen!

PS an alle, die meinen Erwachsene, Mütter, Väter, Omas, Opas… dürften nicht verzagen und weinen und müssten sich gefälligst mal zusammenreißen: Glaubt nicht alles was ihr denkt –> Glaubt euch diesen Bullshit nicht 😗

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4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Yasmina Al Hahbare
    4. Februar 2021 11:31

    Es ist wirklich traumhaft wie du schreibst. Man kann sich genau in Deine Situation hineinversetzen.
    Ich kann dir in allem nur zustimmen und in Zeiten des Corona Wahnsinns hattet ich sicherlich schon drei solcher Zusammenbrüche.

    Ich drücke die Daumen, dass es in absehbarer Zeit vorbei ist und wir nur noch eine Erinnerung an solch einen Alptraum haben werden.

    Antworten
    • Liebe Yasmina,

      Herzensdank für deine Nachricht! 🙏
      Ich schicke dir atlantische Kraft dorthin, wo du gerade bist. Ich hoffe auch, dass diese kack Situation schnellstmöglich ein Ende findet 😣
      Viele Grüße von Katharina

      Antworten
  • Ich fühle mit dir! Denn ganz genau so fühle ich mich auch schon seit einigen Wochen. Bei uns in Österreich wurde der Lockdown bis Mitte Februar verlängert, aber ich weiss jetzt schon, dass das noch nicht alles gewesen ist. Ich frage mich, wie lange dieser Wahnsinn noch weitergehen soll und was diese Menschen mit uns noch machen werden. Mag deine Artikel sehr gerne und folge auch auf Instagram, denn mein Mann und ich wollen auch nach Irland auswandern. Nur jetzt noch nicht. Super geschrieben, echt!

    Antworten
    • Liebe Jennifer,

      ja, die Welt steht Kopf. Und das nicht erst seit gestern. Ich glaube auch nicht, dass Mitte Februar alles vorbei ist. Deshalb sende ich dir virtuelle Grüße und ebenso ganz viel Kraft ✊💪
      Dass ihr nach Irland auswandern wollt, das kann ich absolut nachvollziehen 😁 Es ist landschaftlich ein Traum 💜
      Viele Grüße von Katharina

      Antworten

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