Nun sitze ich hier, es ist Februar,
die weiße Bodendecke aus Schnee ist vor einigen Tagen geschmolzen und die Sonne schenkt uns wärmende und glückshormonhervorrufende Strahlen. Mein Blick fällt immer wieder nach draußen, dort hin, wo die Schafe weiden und die Pferde galoppieren, hinein in die Natur und auf die Bäume, die mit ihren kahlen Ästen im Wind treiben. Ich fühle mich inspiriert und meine Gedanken klären sich Stück für Stück wenn ich die Gelassenheit und den Frieden der Tiere sehe. Ich frage mich, warum ich seit längerer Zeit nicht mehr auf meiner Webseite aktiv war und muss feststellen, dass es dafür nur einen einzigen Grund gibt: Ich hatte wahnsinnig viel zu tun, man könnte es schon Stress nennen.
Nachdem wir unsere Wohnmobilreise im letzten Sommer beendet hatten, stationierten wir auf einem Wagenplatz in Leipzig. Niemals hätte ich gedacht, mal einen Blick hinter die Kulissen an solch “anderen” Plätzen werfen zu können. Der Platz war chaotisch, bunt, voll von Individuen, die ihre Einstellung von einem minimalistischen und sehr einfachen Leben konsequent leben. Mein erster Schritt auf dem Gelände löste ehrlich gesagt einen leichten Fluchtinstinkt in mir aus und gleichzeitig reizte es mich, an einem Ort wie dem Wagenplatz zu verweilen, um mir eine echte Meinung bilden zu können. Es ist Anfang Mai 2017, Peter und ich haben uns entschieden, unser Wohnmobil auf den Platz zu fahren und ein paar Monate hier Station zu machen. Auf einem Berg gelegen, direkt am Wald und neben den Bahnschienen, stellen wir Karl- Heinz auf, öffnen alle Türen, treten hinaus und atmen erst mal frische Großstadtluft ein. Menschen kommen und gehen an uns vorbei, manche halten an, andere rufen nur ein kurzes Hallo, bevor sie in die Pedale treten und weiterfahren. Unsere Kinder entfernen sich immer weiter von uns um den Platz zu erkunden und treffen auch ganz schnell auf andere Kinder. Es dauert nur kurz bis Jarek und Anton sich mit den Mädchen und Jungs angefreundet haben und wir sie den halben Tag lang nicht mehr sehen. Die Dorfstraße des Wagenplatzes zieht sich über mehrere hundert Meter und an den Seiten stehen feste Zirkuswagen oder fahrbare LKW, die im Laufe der Zeit verschwinden und wiederkommen.

Wir leben uns langsam ein und stellen fest: Dieser Platz ist zwar überhaupt nicht kindersicher, überall liegen Scherben und Nägel, Farbe und Baumaterialien, Leitern und leere Flaschen herum, was an diesem Ort jedoch besonders ist ist, dass er unglaublich kinderfreundlich ist. Immer öfter denke ich, dass Astrid Lindgren mit ihren Die Kinder aus Bullerbü vermutlich eine freie Entfaltung anregen wollte, wie unsere drei Kinder sie hier erleben dürfen. Sie wachen morgens von den Sonnenstrahlen im Alkoven unseres Wohnmobils auf, ziehen ihre T-shirts drüber, flitzen los und kommen erst wieder wenn sie hungrig sind oder etwas anderes benötigen. Sogar die anderthalbjährige Johanna kennt nach ein paar Tagen alle Ecken und läuft zu den anderen Kindern, um ihnen beim hüpfen auf dem Trampolin zuzuschauen oder erste Versuche am Klettergerüst zu unternehmen.
Unser Glück wird zu dieser Zeit leider von einem Haufen Sorgen getrübt, die wir für uns kompensieren lernen müssen, damit unsere (großen) Kinder sich derer nicht annehmen wollen. Peter ist zwangsweise in einen Vollzeitjob zurückgegangen und kaum mehr zuhause, sogar die Wochenenden sind oft mit Arbeit vollgepackt. Ich kümmere mich um die drei Heranwachsenden und den Papierkram. Die Familienkasse sieht sich im Recht, uns das Kindergeld zu streichen und wir kommen in der Strudel der Bürokratie. Wir leben zu dieser Zeit von Peters niedrigem Gehalt und jeglicher Luxus ist ein weit entferntes Ziel für uns. Wir kommen finanziell grade so über die Runden, denn unser Erspartes hat Karl-Heinz in Form von Reparaturen geschluckt und ein anderes Einkommen haben wir zu dieser Zeit noch nicht. Wir zweifeln an unserer Entscheidung, aus dem Hamsterrad ausgestiegen zu sein, hadern mit dem Vertrauen ins Universum, drehen jeden Cent zwei Mal um und lassen notgedrungen alles links liegen, was vorerst kein Geld einbringt. Dazu gehört auch dieser Blog, der mein Herzensprojekt ist und mich unglaublich in Glück versetzt, sowie Peters Internetseite, die ihn erfüllt und wo er ganz eintauchen kann. Im Sommer erreicht uns dann ein Anruf vom Jugendamt. Man habe uns angezeigt, denn wir würden uns unerlaubter Weise in Deutschland aufhalten und unser Kind nicht in die Schule schicken. Uns geht der A…. auf Grundeis! Die größte Angst vieler Eltern, die alternative Bildungswege gehen möchten, wird zu unserer Realität. Kontakt und Aktenkundigkeit beim Jugendamt ist das Gegenteil von lustig und ich beginne innerlich auf das Universum zu fluchen, warum es uns so fertig machen will. Ich hasse Sätze wie: Hab Vertrauen, es passiert immer das richtige, und beende zu diesem Zeitpunkt ehrlich gesagt auch die Inspiration durch andere Familien im Internet, die reisen und den Eindruck machen, als sei immer alles tippi toppi.
Meine Gedanken reichen bis zum Fliehen aus Deutschland und betteln um Essen. Im Oktober fliegen wir nach Portugal, kratzen unsere letzten Euros zusammen, leihen uns zusätzlich Geld von Verwandten und zahlen davon den Flug, eine Ferienwohnung und einen Leihwagen. Warum? Weil wir dort die anderen Familien treffen wollen, mit denen wir eine Gemeinschaft gründen werden. Wir sind hocherfreut endlich unser Grundstück zu sehen und Pläne zu schmieden. Wir reisen mit Bekannten zusammen und erreichen am zweiten Tag endlich den Ort, der unsere Heimat werden soll. Nachdem wir einige Stunden verweilen, kochen und die Kinder Lehmmännchen aus dem Boden bauen, eröffnet uns die eine Familie, dass sie das ganze Projekt so nicht mehr wolle, wir wieder abreisen könnten und sie das Grundstück für sich alleine nutzen möchte. Uns rutscht der Boden unter den Füssen weg. Wir sammeln alle Kinder ein, setzen sie gegen ihren Willen ins Auto und fahren Richtung Ferienwohnung, die wir gemeinsam mit einer der anderen Familie gemietet haben. Ich glaube, mehr muss ich gar nicht schreiben. Unser Traum, unser Vertrauen, unser Geld, unsere Liebe und Zuversicht, unsere Hoffnung und unser Ziel zerplatzen innerhalb weniger Sekunden und wir verbringen die kommenden Tage lustlos und abgebrannt am Strand (Was wir eigentlich in Portugal vor hatten, liest du hier) Ich weiß nicht, ob du schon mal in einer ähnlichen Situation warst. So einer Situation, in der du das Gefühl hast, es kommt immer noch mehr Scheiße dazu. Es scheint noch nicht an Unglück zu reichen… Falls Ja, weißt du in etwa, wie wir uns vor einem halben Jahr gefühlt haben.
Die Sache mit dem Jugendamt konnte letztlich gut geklärt werden. Man hat uns dann noch ein mal angezeigt, natürlich wieder anonym, und wir haben viel über Gesetze und Falschaussagen gelernt. Auch erhielten wir kurz vor Weihnachten den erlösenden Brief der Familienkasse, in dem uns in vollem Umfang zumindest für zwei Monate Recht zugesprochen wurde. Den Wagenplatz verließen wir nach einiger Zeit und stellten unser Wohnmobil in einer Halle unter, damit es dort gut überwintern kann. Seit Beginn des Jahres halten wir uns an der holländischen Grenze auf. Dazu erfahrt ihr im nächsten Artikel mehr. Wir sind nach all den Erschütterungen wieder ausgebrochen, Peter hat seinen Job gekündigt, wir haben den Problemen und unseren Glaubensmustern den Stinkefinger gezeigt, viel reflektiert, meditiert und Schlüsse gezogen und üben uns tagtäglich erneut im Vertrauen. Im Vertrauen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, auf unserem Weg. Im Vertrauen, dass wir aus dem letzten Jahr unsere Lehren ziehen dürfen und im Vertrauen, dass unser Einkommen immer weiter wächst, wir bald auf eigenständigen Füssen stehen werden und komplett durch den Dschungel gegangen sind, hinein in ein unbeschwertes und friedvolles Sein. Wir konnten für 2018 viel Ballast abwerfen und weitergehen. Wir wissen nach dem letzten Jahr, auf wen wir zählen können. Wir haben uns geschworen, unseren Kindern bei ihrem Weg beizustehen, ihnen niemals Vorwürfe zu machen oder an ihrem Verstand zu zweifeln wenn sie Dinge tun, die wir nicht nachvollziehen können -bedingungslos und im Vertrauen. Das Leben fordert und fördert. Es hat uns komplett gefordert letztes Jahr und einen kleinen Teil tragen wir auch heute noch und gleichzeitig hat es uns an Grenzen gebracht, die uns gezwungen haben, hinzuschauen und Dinge zu ändern. Wir haben unsere Familien ein großes Stück weit besser kennengelernt und von einigen auch viel Gegenwind bekommen, sodass wir uns selbst prüfen und reflektieren durften, was von dem zu uns gehört und was wir loslassen können. Vor allem aber wurde unsere Paarbeziehung unglaublich gestärkt. Wir halten immer zusammen und kein Sturm fegt uns um.
Dieser Bericht ist für alle Menschen da draußen, die Angst haben vor Veränderung, für alle, die mit wenig Geld Befreiung suchen und ein authentisches, selbstbestimmtes Leben führen wollen. Ich habe ihn unter Tränen geschrieben, damit dieser Blog eine ehrliche und aufrichtige Sammlung aller Gefühle und Erlebnisse wird, die im Leben passieren können. Und ich danke meiner Mutter für den nötigen Hinterntritt, sie hat uns gezeigt, wie auch Menschen wie wir ohne Kapital ein nachhaltiges und nährendes Geschäft aufbauen können, das zu uns und unserem Lebensstil passt (Dazu wird es zeitnah einen Artikel geben).