Das Wort Langeweile habe ich aus meinem Wortschatz streichen müssen. Warum? Das erfährst du in diesem Beitrag.
Peters Geburtstag begann mit einem schön gedeckten Tisch und selbst gekauftem Kuchen sowie Geschenken am Kieselstrand, der sich bei Helligkeit als wahre Müllhalde entpuppte. Nachdem wir uns alle zu Tisch begeben und gesungen hatten, mussten wir feststellen, dass der tolle glutenfreie Kuchen eine gehörige Portion Alkohol enthielt. Pech für die Kinder und mich, Glück für Peter, der diesen daraufhin fast gänzlich vernaschte.
Wir brachten fast den gesamten Mittag und Nachmittag damit zu irgendwo Wasser und einen Spielzeugladen zu finden um für Johanna ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen. Alle Campingplätze hatten (mal wieder) geschlossen und die Tipps der Einheimischen stellten sich als Pleiten heraus. Um nicht vollständig in Frustration zu versinken dachten wir uns, gehen wir erst mal fein beim Italiener in Sapri essen bevor wir weiterfahren. Dort angekommen mussten wir feststellen, dass dieser nur Bargeld annahm und wir dachten uns: Kein Problem, hier wird es wohl irgendwo einen Bankautomaten geben. Es gab sogar drei. Allerdings war keiner bereit uns auch nur einen Cent auszuspucken. Prima! Wir entschieden uns im Womo schnell Nudeln zu kochen und der Sache mit der Bank auf den Grund zu gehen. Nachdem unser Onlinebanking uns einen Minusbetrag von 250Euro anzeigte, wussten wir warum kein Geld kam, jedoch nicht warum wir so viel im Minus waren. Ein Anruf bei der Bank klärte das Problem. Interessant für alle Lesenden: Wenn du im Ausland an einer selfservice Tankstelle mit Kreditkarte zahlst, blockiert der Tankenanbieter eine enorm höhere Summe auf deinem Konto als der Summe für die du tatsächlich getankt hast. Das war der Hintergrund des Problems. Wir lernen daraus: Hab immer genug Bargeld bei dir sonst beschert dir das Geldproblem evtl. meckernde, hungrige Kinder und schlechte Laune!
Die Fahrt ging also weiter durch die Berge und irgendwo in einem kleinen Bergdörfchen fanden wir einen niedlichen Brunnen der uns Wasser gab.
Am Abend, es war bereits dunkel, erreichten wir Praia a mare. Auf dem Parkplatz standen bereits zwei italienische und ein deutsches Wohnmobil (aus Viersen- Gruß an die Heimat!). Der Platz lag direkt an der Hauptstraße aber wir waren zu müde um weiter zu suchen zumal der Magen gewaltig knurrte. Schnell gekocht und ab ins Bettchen. Ich lag allerdings die halbe Nacht wach während ich das Gefühl hatte, alle anderen schliefen besser denn je. Draußen tobte ein heftiger Strum und Karl-Heinz schaukelte wie verrückt hin und her. Ich spürte förmlich dass er jeden Moment umzukippen drohte. Peter sah die Sache gelassen und pennte einfach weiter während ich das Womo mitten in der Nacht umparkte. Ich dachte mir, im Windschatten der anderen Autos müsste es etwas ruhiger zugehen. Leider ging mein Plan nicht auf und ich kriegte am Morgen kaum ein Auge auf.
Wir wollten wieder einen schönen Meerplatz haben bevor wir am nächsten Tag die Farmarbeit beginnen würden. Wir fanden einen annehmbaren Platz, auch wenn ich Paestum immer noch etwas hinterher trauere. Unser Womo konnte direkt am Strand stehen, jedoch hörten wir auch hier die Hauptstraße laut, was mich persönlich immer sehr stört. Da verfliegt die schöne Meerathmosphäre ein bisschen. Johanna hatte am nächsten Morgen Geburtstag und wir verbrachten den Tag bis zur Weiterfahrt Richtung Farm am Strand in der Sonne. Wir spielten mit den Feuervögeln (Wurfspielzeug), die Kinder bauten Tunnel und Burgen und wir atmeten vorerst zum letzten Mal die wohltuende Meerluft ein.
Die nächsten zwei Wochen, bis kurz vor Sylvester, verbrachten wir auf einem Berg in Belvedere Marittimo in Kalabrien auf einer Farm, die sowohl Gemüseanbau betrieb, Tiere pflegte als auch ein Hotelbetrieb ist. Die Besitzerin heißt Anna und begrüßte uns herzlich als wir endlich oben ankamen.
Auf dem Weg nach oben würgte ich den Alten zwei Mal ab und hatte ordentlich mit meinem Schweinehund zu kämpfen um das Problem nicht an Peter abzugeben sondern das Auto selbstständig wieder an zu schmeißen und hoch zu fahren. Dass ich nach 10 Jahren als Autofahrerin zum ersten Mal mit gezogener Handbremse am Berg angefahren bin war ein neues Erlebnis für mich und jetzt weiß ich auch wie das geht.
Wir waren nicht die einzigen auf dem Hof. Sofort begrüßten uns zwei weitere deutsche Mädels und eine Österreicherin sowie einige Italiener, ein Norweger und ein Franzose, die ebenfalls als WWOOF-er (willing workers on organic farms) zu Gast waren. Die Stimmung war sofort angenehm und offenherzig. Anna´s Haus war groß, fast herrschaftlich, und auch das Gelände sehr weitläufig. Drei große Gewächshäuser, 500 Hühner, zwei schöne Esel, viele Ziegen und Kühe, Schweine und anderes Getier sowie vier Hunde fanden wir vor. Ein kleiner Spielplatz für alle Besucherkinder war ebenfalls vorhanden und wir bekamen unseren Stellplatz direkt neben dem (abgedeckten) Pool auf einer Freifläche in der Nähe von einem Bad mit Toilette und Dusche.
Peters Arbeitszeiten waren für unser Verständnis etwas unmenschlich. Um 7Uhr begann die Arbeit und pausierte für das Mittagessen von 12.30 bis 13Uhr um danach noch eine halbe Stunde weiter zu arbeiten. Das Ganze sechs Tage pro Woche. Ich kümmerte mich derweil um die Kinder und das Abdecken des Tisches. Außerdem übernahmen wir an zwei Abenden den Abwasch der ganzen Mannschaft die aus rund 20-25 Personen bestand.
Jetzt wird sich so mancher Deutscher die Haare raufen und sich fragen, ob mein Leben denn ein Ponyhof sei. Ne!
Und gleichzeitig wurde uns im Laufe der zwei Wochen etwas bewusst: Ist es wirklich fair jemanden 36 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen nur für Essen und etwas Duschwasser sowie eine Waschmaschinenmitbenutzung? Finden wir es gerecht, dass wir auf einer ökologischen Farm arbeiten, die nach dem Motto Für die Gäste nur das Beste arbeitet während WWOOF-er und Angestellte den billigsten Discountfraß bekommen? Da werden die Eier der Hühner auf dem Markt verkauft und wir bekommen Käfighaltung auf den Tisch. Das Gemüse verkaufen sie auf dem Markt während wir Dosenfutter essen dürfen. Und aus dem Gewächshaus darf man sich nichts nehmen weil es dann zu wenig für den Markt gibt obwohl das ganze Teil vor leckerem, frischen Gemüse nur so strahlt.
Wäre die Athmosphäre unter den Angestellten nicht so gut gewesen, wären wir vielleicht schon eher abgereist. Es grenzt aus unserer Sicht an moderne Sklaverei und sollte dringend durch neue WWOOF- Richtlinien geändert werden.
Wie ihr erkennen könnt haben wir auch Weihnachten dort verbracht und es sehr genossen so entspannen zu können. Zwar wurden die ganzen Tage durchgearbeitet, dennoch fanden wir es wunderbar in einer multikulturellen Gruppe zu sein. Die Verständigung ging teilweise nur mit Händen und Füßen oder mit gebrochenem italienisch und doch haben wir viele neue Wörter in unser Gehirn aufnehmen können.
Auch der Abschied war herzlich. Ich glaube ich wurde noch nie von so vielen Menschen abgeknutscht. Wir kennen das aus Deutschland nicht aber ich genieße es sehr. Auch die Piccolina Johanna hat einiges an Küssen geerntet und es offensichtlich genossen.
Jeden Abend bereitete Peter Fallen vor. Fallen für unsere ungebetenen Gäste, die uns beinahe in den Wahnsinn trieben. Den Schweinen sei Dank dass fast alle Menschen auf dem Hof Flöhe hatten. Es war so widerlich und ich musste mich zusammenreißen um nicht jedes Mal einen Anfall zu kriegen wenn jemand von uns wieder neue Bisse hatte. Peter hatte derweil über 150 an seinem Körper gezählt und auch Anton sah aus wie ein Streuselkuchen. Tagtäglich ergriffen wir sämtliche Maßnahmen um die Viecher wieder los zu werden. Wir verließen den Hof und fuhren ohne Probleme nach Lamezia Terme direkt an die heißen Quellen die wir erleben wollten und obwohl wir diese Plagegeister an Bord hatten und ich das echt nicht witzig fand, genoss ich, dass ich im Wohnmobil sitzen konnte um zu euch zu schreiben. Voller Frohmut, dass ich den Regen der auf unser Dach prasselte so nah miterleben konnte, dass ich versinken konnte in Träume die ich in meinem Leben habe, Dinge die ich fühlen und sehen will und dass ich Dankbarkeit in jeder meiner Zelle spürte dafür, dass ich drei wundervolle Kinder begleiten darf, einen Mann an meiner Seite habe der mit mir in die selbe Richtung geht und in einem Land lebe, welches mich täglich mit wärmenden Sonnenstrahlen beglückt.
Wofür bist du dankbar? Welche Träume hast du in deinem Leben? Ich wünsche mir, dass jeder Mensch von so viel Glück sprechen kann wie ich es kann, seitdem wir diese Reise gewagt haben und sie mit allen Höhen und Tiefen durchleben!